Enaktive Traumatherapie ist eine Methode zur Behandlung von komplexen traumabezogenen dissoziativen Störungen (kPTBS, pDIS, DIS, u.a.).
Entwickelt wurde die Enaktive Traumatherapie von Ellert Nijenhuis, PhD., beruhend auf dem Konzept der traumabezogenen strukturellen Dissoziation der Persönlichkeit (Janet, 1904; van der Hart, Nijenhuis, Steele, 2006). Enaktive Traumatherapie integriert Konzepte und Forschungsergebnisse aus den Bereichen Philosophie, Psychotraumatologie, Psychologie, Hirnforschung, Neuropsychologie, Biologie, Bindungs- und Lerntheorie und sensomotorischer Psychotherapie.

Bei (früh-)kindlichen Gewalt- und/oder Bindungstraumatisierungen durch die (ersten) Bezugspersonen, gerät ein Kind in einen unlösbaren inneren Konflikt. Ein (Klein-) Kind ist in allen Bereichen seines Lebens abhängig von seinen Bezugspersonen. Es muss sich an seine Bezugspersonen binden, um zu überleben.
Wenn wichtige Bezugspersonen gleichzeitig eine Gefahr (Gewalt, Vernachlässigung, etc.) für das Überleben eines Kindes darstellen, können die bio-psycho-sozialen Handlungssysteme nicht koordiniert zusammenwirken. Entweder Bindung oder Verteidigung. Entweder emotionale und physische Sicherheit in der Gemeinschaft oder Kampf, Flucht und Isolation. Als Überlebensstrategie entstehen dissoziative Persönlichkeitsanteile (Agenzien).
Die verschiedenen Agenzien handeln entsprechend ihrer jeweiligen prototypischen Aufgaben (Ignoranz, Fragilität, Kontrolle). Für die einen Agenzien bedeutet das: „Liebe mich. Verlass mich nicht. Ohne dich kann ich nicht leben.“ oder „Ich bin schlecht. Ich bin es nicht wert. Niemand will mich.“ oder „Du wirst mich sowieso verlassen.“ oder „Du bist wie alle anderen. Du willst mich nur benutzen.“ oder „Bloß weg.“ Für andere Agenzien bedeutet das: „Menschen tun weh. Menschen sind gefährlich. Traue keinem.“ Für wiederum andere Agenzien bedeutet das: „Du bedeutest mir nichts. Ich brauche niemanden.“

In Traumatherapien steht üblicherweise die Integration traumatischer Erinnerungen im Mittelpunkt der Behandlung. Die Integration von traumatischen Erinnerungen ist zweifelsohne wichtig. Probleme in der Gestaltung von Beziehungen werden oft nicht als Folge chronischer Traumatisierungen erkannt oder erhalten einen eher untergeordneten Stellenwert in der traumatherapeutischen Behandlung.
Eine Traumatherapie, in der die Probleme außer Acht gelassen werden, die ein chronisch traumatisierter Mensch mit seinem gleichzeitigen Bestreben nach Bindung und Flucht, nach Sicherheit und Verteidigung, hat, erfasst nicht, dass die traumatherapeutische Behandlung von Bindungstraumatisierungen eine mindestens gleichgroße, wenn nicht sogar eine größere Bedeutung für die Überwindung chronischer interpersoneller Traumatisierungen hat.

In Beziehung zu Menschen entstandene Traumatisierungen können nur in Beziehung zu Menschen integriert werden. Das erfordert von TraumatherapeutInnen ebenso Wissen über die Komplexität und die Dynamiken in dissoziativen Systemen von schwer traumatisierten Menschen, wie auch Fertigkeiten in Bezug auf Begegnung mit Menschen, die eine sichere Bindung zu anderen Menschen nie kennengelernt haben, die Beziehung als Gefahr für Leib und Leben erleben und die aufgrund von schwerwiegenden Bindungstraumatisierungen Überlebensstrategien entwickeln mussten, die sichere Bindung und gute Beziehungen zu anderen Menschen verhindern.
Das Verlangen, sich im ständigen und oft rasent schnellen Wechsel an andere zu binden, sich von ihnen zu lösen und sie abzulehnen, bestimmt quälend den Alltag der PatientInnen und erschwert auch die Therapie. TraumatherapeutInnen muss bewusst sein, welche intrapsychischen Konflikte interpersonelle Traumatisierungen verursachen und und welche heftigen Dynamiken im dissoziativen System der PatientIn entstehen. Sie müssen in der Lage sein, diese wechselnden, intensiven und oft vehement hervorgebrachten Verlangen und Bestrebungen in Bezug auf Beziehungen zu erfassen und damit umzugehen lernen, um ihre PatientInnen bei der Überwindung von komplexen traumabezogenen dissoziativen Störungen unterstützen zu könnnen.

Enaktive Traumatherapie ist das Bestreben, einen Menschen in seiner Ganzheit aus Körper, Geist und Seele, eingebettet in sein Umfeld, zu erfassen, und ihm von Mensch zu Mensch zu begegnen. Der Weg der Enaktiven Traumatherapie gleicht einem Tanz. Es braucht Kommunikation und Teamarbeit, Tempo, Abstimmung, Timing, Sensibilität für Gleichgewicht, Bewegung und Rhythmus, Mut, sowie die Fähigkeit und Bereitschaft, zu folgen und zu führen, um gemeinsam einen Weg zu finden in Richtung hin zu mehr Verbindung mit sich selbst und der Welt.
Das Ziel von enaktiver Traumatherapie ist eine schrittweise Verbesserung von Integrations- und Handlungsvermögen, um die Folgen von chronischen Gewalt- und Bindungstraumatisierungen besser überwinden zu können.

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